Online versus Offline? Analyse am Beispiel unserer Generalversammlung

 In Organisation/Führung

Nach einem Jahr online Meetings kann man schon einmal Zwischenbilanz ziehen. ‚zoom-fatigue‘ macht sich überall breit und wir alle möchten uns gerne wieder ‚wirklich treffen‘. Auch ich warte schon sehnsüchtig darauf. Dennoch möchte ich online versus offline einmal anhand eines konkreten Beispiels beleuchten. Ich glaube nämlich auch, dass man online noch vieles besser machen könnte – offline übrigens auch.

Ich tue das anhand unserer Generalversammlung. Die ist zwar insofern besonders, weil sie nur alle 4 Jahre  stattfindet. Trotzdem ist sie für einen Vergleich online – offline gut geeignet.

Unseren Mitgliedern brauche ich eine Generalversammlung (GV) nicht ausführlich zu erklären. Darum nur in aller Kürze: Eine GV eines Vereins dient der gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder. Sie entlastet die Geschäftsführung, nimmt den Bericht der Rechnungsprüfer entgegen, entscheidet über die Höhe des Mitgliedsbeitrages, wählt das Präsidium.

Es kommen also – mindestens – folgende Elemente vor:

  • Präsentation (der Geschäftsführung, der Rechnungsprüfer)
  • Abstimmung (über die oben genannten Elemente)
  • Fragen (die sich eventuell ergeben)
  • Diskussion

Wie bei jedem Meeting unterscheide ich Vorbereitung, Ablauf, Nachbearbeitung.

Die Vorbereitung – gut geplant ist halb gewonnen

Bei einer live-Veranstaltung braucht es grob gesagt einen Ablaufplan / ein Design, einen Veranstaltungsraum, Catering, Einladungen, Erinnerungen, eventuell externe Vortragende. Dann noch weitere Logistik wie Wegweiser zu Veranstaltungsraum, Parkplätzen, Toiletten, Raumausstattung, ggf. Sitzpläne, Veranstaltungstechnik).

Das meiste davon ist auch bei einer virtuellen Veranstaltung notwendig. Der Raum ist die geeignete Software, Einladungen, Erinnerungen, Ablaufplan braucht es auch. Zusätzlich muss die verfügbare Technik klar sein (nicht jede Software darf in allen Unternehmen genutzt werden, Technik-Tipps u.ä.).

Eine Generalversammlung enthält einige, wesentliche Formalismen: Deshalb brauchen wir zum Beispiel eine Vorgehensweise, wie abgestimmt werden kann. Live erfolgt das durch Heben der Hände und Abzählen. Online muss das die Technik erledigen.

All das muss im Vorfeld geklärt werden. Der Ablaufplan muss sehr früh stehen, von ihm hängt die Länge der Veranstaltung und noch so einiges ab.

Der Ablauf – vom Wert einer guten Choreografie

Jeder Ablauf ist eigentlich eine Choreografie – was passiert wann, durch wen und mit wem. Je besser die Choreografie geplant ist, desto leichtfüßiger und souveräner können Sie durch ein Meeting führen.

Dennoch: Seien Sie immer auf Überraschungen gefasst. Online wie offline kann zum Beispiel die Technik dazwischen funken. Vor Ort kann man leicht eine Lösung finden (Flipchart, Handouts etc.). Bei einer Online-Veranstaltung wird das aber kritisch. Mein Tipp: wenn möglich einen zweiten Zugang zum Internet verfügbar haben. Meine Erfahrung ist, je besser die Choreografie ist, desto leichter können Überraschungen gemeistert werden. Das gilt nicht nur für die Technik.

Übrigens: für mich ist ein Ablauf gut, wenn damit das Ziel des Meetings erreicht wurde.

Zusammenarbeit – das Salz jeder Veranstaltung

In einer Generalversammlung werden die Weichen für die kommenden 4 Jahre der Vereinsarbeit gelegt. Daher ist konstruktive, zielgerichtete Interaktion ein zentraler Bestandteil der Veranstaltung: Abstimmen, Fragen/Rückfragen/Anmerkungen, Diskussionen.

Bei großer Teilnehmerinnenzahl und/oder für ausführlichen Diskussionen empfiehlt es sich, Arbeitsgruppen zu bilden. Das können wir alle uns im Live-Format bestens vorstellen.  Bei einer Live-Veranstaltung reicht abhängig von der Anzahl der Teilnehmer*innen auch oft ein großer Raum. Dort können sich die Gruppen z.B. in die Ecken aufteilen und dann alle im gemeinsamen Raum arbeiten. Auch online gibt es die Möglichkeit, Gruppenräume zu nutzen oder im Plenum gemeinsam an einem virtuellen ‚whiteboard‘ zu arbeiten.

Die großen Unterschiede

Betrachtet man den Aufwand, so ist die Planung einer online Veranstaltung mindestens ebenso arbeitsintensiv wie eine Live – Veranstaltung.

Dazu kommt bei der Umsetzung online die technische Herausforderung vor allem die Qualität der Internetverbindung zum Zeitpunkt der Veranstaltung. Die Veranstalter*innen und Gäste müssen auf Überraschungen gefasst sein. Gelassenheit bewahren hilft.

Was man live alleine machen kann, benötigt online oft eine Unterstützung. Es ist schwierig, gleichzeitig zu präsentieren, den Chat im Auge zu behalten, Menschen, die ‚hinausgefallen‘ sind wieder hereinzuholen. Da hilft eine zweite Person, die sich um diese anderen Schauplätze kümmert. Dann kann die Moderatorin / der Facilitator mit der Aufmerksamkeit bei den Teilnehmer*innen (und ggf. der Präsentation) sein. Die Anzahl der teilnehmenden Personen ist hier ausschlaggebend.

Vorteile einer online Generalversammlung

Nicht jedes Mitglied kann zu einer Live-Generalversammlung kommen. Wenn die Reisezeit aber wegfällt, dann ist eine Teilnahme zumindest eher möglich. Man kann die Veranstaltung straffer organisieren, d.h sie kann kürzer ausfallen. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit einfach eine Aufzeichnung der Veranstaltung zu erstellen. (Aber nicht vergessen die Zustimmung der Teilnehmer*innen zur Aufzeichnung einzuholen und die Art der Verwendung anzugeben).

Der organisatorische Aufwand, sowie die Kosten für Raum, Technik vor Ort fällt weg.

Nachteile einer online Generalversammlung

Es gibt kein Netzwerken und keinen persönliche Kontakt. Nach der Generalversammlung und in den Pausen gibt es live immer die Möglichkeit miteinander zu sprechen, neue Leute kennenzulernen, Bekannte zu begrüßen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Das fällt online bei einer eher kurzen Veranstaltung weg. Bei längeren Veranstaltungen können und müssen diese Gelegenheiten extra eingeplant werden.

Was ebenfalls wegfällt ist das Catering. Leider, denn man möchte seinen Gästen schließlich auch gerne etwas anbieten. Und vor allem Gelegenheit zum Small talk in entspannter Atmosphäre geben.

Wie war die online Generalversammlung?

Wir sind – wie geplant – im Zeitrahmen  von  75 Minuten geblieben. Die Technik hat geklappt. Die Präsentationen und Inputs von insgesamt 6 verschiedenen Menschen waren relevant und interessant (Begrüßung, Bericht des Präsidiums, Vorstellung des neuen Präsidiumsmitglieds, Rechenschaftsbericht, Bericht über das aktuelle Leistungsprogramm, Bericht des Abschlussprüfers). Es wurden Fragen gestellt. Die 4 technisch unterstützten Abstimmungen haben sehr gut funktioniert und sind dokumentiert. Das detaillierte 7-seitige Protokoll war pünktlich fertig und 48 Stunden später versendet (Dank Erinnerungsstütze Recording). Wir haben gutes Feedback erhalten!

Goldene Regel bei jedem Meeting: Mitmachen!

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Meeting. Frontalveranstaltungen langweilen. Sie wollen sich und Ihre Erfahrungen einbringen. Sie haben Fragen. Stundenlanges Zuhören ermüdet. Die Energie verlässt Sie. Und damit schließlich das Interesse.

Damit das nicht geschieht, plane ich Interaktion sorgfältig und moderiere Partizipation aufmerksam. Schließlich wollen wir uns mit allen Teilnehmerinnen austauschen. Mit den extroverierten ebenso wie mit den introvertieren. Mit den erfahrenen ‚alten Hasen‘ genauso wie mit den jungen, die frischen Wind einbringen können und wollen. Uns interessieren die prominent vorgetragenen Aussagen ebenso wie die vielleicht versteckten Perlen.

Ein gutes Meeting ist wie eine gut erledigte Aufgabe

Ich kenne das Argument, dass derartige Partizipation aufhält. Daß alles zu lange dauert, daß ja nichts Neues dabei herauskommt. Es entspricht nur so gar nicht  meiner Erfahrung. Denn: Wir wollen die Menschen mitnehmen. Was vermeintlich durch Vernachlässigen von Partizipation eingespart wird, kommt vielfach zurück in Form von Fragen, Widerständen, Erklärungsbedarf, Fehlinterpretationen etc.

Und deshalb werden Meetings und Veranstaltungen nicht durch Knopfdruck ‚Meeting starten‘ begonnen, sondern mit einer guten Vorbereitung. Denn online wie offline treffen Menschen aufeinander und Aufgaben sind zu erledigen. Deshalb verdient dieses Treffen volle Aufmerksamkeit.

Mein persönliches Resumee

Ich bin technik-affin und würde gerne schon seit vielen Jahren mehr online arbeiten. Es hat einfach so viele Vorteile (keine Reisezeiten, Erreichbarkeit von Menschen an unterschiedlichen Orten, oft besseres Einfügen in den Arbeitsalltag…). Ich bin schon lange international vernetzt und damit auch online. Sonst würde ich meine Kolleg*innen  nur alle paar Jahre sehen und die Möglichkeit zum Austausch haben. Und international zu arbeiten wäre derzeit gar nicht möglich. Wohlgemerkt, möchte ich auch gerne wieder offline arbeiten. Sich auch physisch zu treffen ist ein menschliches Bedürfnis. Beziehungen und gute Zusammenarbeit entstehen leichter, wenn man einander auch physisch treffen kann. Mir und vielen anderen fällt Kommunikation leichter, wenn man auch die Körpersprache sehen und wahrnehmen kann. Für mich war es aber nie eine Frage von entweder – oder sondern immer von sowohl als auch. Ich bin überzeugt, dass die Freude über wiedererlangte (Bewegungs-)Freiheit – die irgendwann sicher kommt – die Vorteile von online nicht hinwegfegt.

Und: Ich habe ‚bad-meeting-fatigue‘ und zwar schon lange. Ich denke, dass die meisten Meetings viel besser gemacht werden könnten. Dafür müssen sie als das gesehen werden, was sie sind: ein Mittel um Ziele gemeinsam mit anderen Menschen zu erreichen. Und deshalb beschäftige ich mich mit dem Thema und biete Trainings dazu an:

Führen mit Meetings und Workshops für Führungskräfte – 2 Tage online. Sie erfahren, was gute Meetings (& Workshops) zu Ihren Ergebnissen beitragen können und auch wie man sie effektiv durchführt. Sie arbeiten in kleinem Rahmen mit max. 5 anderen Führungskräften in einer inspirierenden virtuellen Umgebung.

Von online Meetings wirklich profitieren – 2,5 Stunden online. Hier behandeln wir die Erfolgsfaktoren für erfolgreiche virtuelle Meetings (die auch in jedem realen Meeting wichtig sind).

Ich selbst freue mich darauf, Online und Offline-Meetings vorbereiten, choreografieren und moderieren zu dürfen!

Foto:

Photo by Ibrahim Boran on Unsplash
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